Saterfriesisch
Litje Skoule Skäddel - Grundschule Scharrel
Konzept Saterfriesisch - Stand 2024
Saterfriesisch in der Schule - Legitimation
In der „Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen“, die 1999 in Kraft trat, wird Saterfriesisch als eigenständige Minderheitensprache benannt und erfährt damit internationalen Schutz. Deshalb sind Maßnahmen zum Erhalt und zur Förderung der saterfriesischen Sprache dringend notwendig. Niedersachsen hat sich verpflichtet, diese Sprache zu schützen und zu fördern, um damit zu ihrem Erhalt beizutragen.
Legitimierung für den Unterricht der saterfriesischen Sprache in der Schule ist der Erlass „Die Region und ihre Sprachen im Unterricht“.
Dort heißt es:
„Niedersachsen verfügt über einen besonderen sprachlichen Reichtum. Mit der Regionalsprache Niederdeutsch (Plattdeutsch) und der Minderheitensprache Saterfriesisch besitzt das Land neben der Amtssprache zwei so genannte kleine Sprachen, die eine Jahrhunderte alte Tradition aufweisen und einer besonderen Pflege bedürfen, um sie zu erhalten. Die Bedeutung der Sprachen wird auch darin deutlich, dass beide Sprachen ausdrücklich im Bildungsauftrag des Niedersächsischen Schulgesetzes erwähnt werden.
Im §2 Abs1 Satz 3 heißt es u.a., dass die Schülerinnen und Schüler fähig werden sollen, „ihre Wahrnehmungs- und Empfindungsmöglichkeiten sowie ihre Ausdrucksmöglichkeiten unter Einschluss der bedeutsamen jeweiligen regionalen Ausformung des Niederdeutschen oder des Friesischen zu entfalten“. Im Rahmen der Europäischen Charta für Regional- oder Minderheitensprachen hat sich Niedersachsen zudem verpflichtet, diese Sprachen zu schützen und zu fördern, um somit zu ihrem Erhalt beizutragen….“*
Im Fach Deutsch des Primarbereichs ist die Sprachbegegnung mit Niederdeutsch oder Saterfriesisch für alle Schülerinnen und Schüler verpflichtend. Das entsprechenden Kerncurriculum Deutsch zeigt verbindliche Kompetenzerwartungen und Inhalte auf.
Darüber hinaus sollen vorhandene Sprachkenntnisse der Schülerinnen und Schüler gefördert, erweitert und vertieft werden, es soll aber auch der Spracherwerb für Schülerinnen und Schüler ohne Vorkenntnisse ermöglicht werden. Dies ist ein Beitrag zur frühen Mehrsprachigkeit und unterstützt das Erlernen weiterer Sprachen.
Möglich ist auch ein zweisprachiger Unterricht, wenn alle Eltern einer Klasse dem zustimmen. Dieser Immersionsunterricht kann in allen Fächern außer Deutsch und Englisch stattfinden.
Mehrsprachigkeit
Eine eigene Sprache gehört zu den grundlegenden Elementen regionaler Identität. Erfahrungen in anderen europäischen Ländern zeigen, dass regionale Schaffenskraft und positives Ansehen der Regionalsprache miteinander gekoppelt sind.
Aus dieser Perspektive trägt Regionalsprachenförderung zur eigenständigen Regionalentwicklung bei.
Im Saterfriesischunterricht verbinden sich sprachliches und interkulturelles Lernen. Die Schüler nehmen Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Sprachen wahr, indem sie neben ihrer Muttersprache eine andere Sprache kennenlernen. Die eigenen Denk- und Sprachstrukturen können relativiert, Reflexionen und Vergleiche angebahnt werden.
Weiterhin bringt die frühe Zweisprachigkeit eine Reihe von Vorteilen:
Mehrsprachigkeit wirkt sich positiv auf die kognitiven Fähigkeiten und den Intellekt des Kindes aus und begünstigt das analytische Denken des Kindes.
Sie gibt dem Kind eine nuancierte Auffassung der Welt.
Sie erleichtert den Erwerb weiterer Sprachen und fördert die generelle sprachliche Regsamkeit.
Mehrsprachige Kinder sind in der Regel längerfristig kognitiv leistungsfähiger und fremden Sprachen und Kulturen gegenüber toleranter.
Die Zwei- und Mehrsprachigkeit fördert eine offene und aufgeschlossene Haltung gegenüber anderen Sprach- und Kulturgemeinschaften, bewirkt eine größere Offenheit im Zusammenleben mit ausländischen Mitbürgern und leistet somit einen Beitrag zur Friedenserziehung. Das Kind erwirbt eine höhere soziale Kompetenz.
Voraussetzungen
Die Muttersprache leidet nicht unter der Einführung einer zweiten Sprache – im Gegenteil: bilinguale Kinder schnitten bei Sprachvergleichstests sogar etwas besser ab als die monolingualen.
„Wenn (...) die kognitive Entwicklung des kleinen Kindes durch das Erlernen einer zweiten oder dritten Sprache gefördert wird, dürfte es (...) völlig egal sein, ob Plattdeutsch, Dänisch, Friesisch, Englisch oder Französisch gewählt wird.“ (Henning Wode)
Da es im Saterland mit ca. 14000 Einwohnern nur noch etwa 1500 aktive Sprecher gibt, stehen wir vor der Situation, Saterfriesisch als Fremdsprache vermitteln zu müssen.
Ein Teil der Schülerinnen und Schüler hat bereits im Kindergarten eine erste Sprachbegegnung erlebt.
Der Unterricht
Der Saterfriesischunterricht in der Litjen Skoule Skäddel in Scharrel wird aufbauend vom ersten bis zum vierten Schuljahr erteilt. Es stehen dafür 4 Lehrerstunden zur Verfügung. An unserer Schule gibt es drei Lehrkräfte, die den Saterfriesischunterricht erteilen können. Zusätzlich werden wir von einer weiteren Lehrkraft aus dem außerschulischen Bereich unterstützt.
In der Regel wird in jeder Jahrgangsstufe eine einstündige AG Saterfriesisch eingerichtet, an der die Schüler der jeweiligen Jahrgangsklassen freiwillig teilnehmen können.
Das Unterrichtsmaterial
Seit 2022 gibt es für den Saterfriesischunterricht ein eigenes Unterrichtswerk. Es heißt „Seeltersk lopt“ und beinhaltet für jeden Jahrgang einen eigenen Band. Zum Unterrichtswerk gehören Bild- und Wortkarten und Audiodateien für die Hand des Lehrers mit allen Texten aus dem Buch und Übungen für die Schüler sowie ein Lehrerhandbuch mit genauen Anweisungen für den Unterrichtsverlauf und vielen methodischen Hinweisen.
Im Vordergrund des zugrundeliegenden Konzeptes steht dabei der handelnde, kommunikative frühe Fremdsprachenerwerb.
In jedem Buch werden 7 – 8 Themenbereiche, z.B. Freunde und Familie, Essen und Trinken, Schule, Umgebung, Einkaufen, Hobbys u.a. bearbeitet, die im „Gemeinsamen europäischen Referenzrahmen für Sprachen“ entwickelt wurden und vom Europarat zur Vergleichbarkeit von Sprachen empfohlen werden.
Ein Fünfsäulenmodell kommt in den Lehrwerken zur Anwendung. Nach der Einführung einer begrenzten Zahl von Wörtern zu dem jeweiligen Themenbereich, wird zu Dialogen gewechselt, die nach einer besonderen Methode mit großer Freude von den Kindern vorgespielt werden. Darauf folgt ein Röge-die-Fertälster (abgeschlossene kurze, oft lustige oder schräge oder skurrile oder ungewöhnliche Geschichte, bestehend aus bis zu 9 Sätzen). Sprache wird dabei mit Bewegung und auch visuell vermittelt. Kleine lustige oder Theaterstücke werden in der Folge nach einer besonderen Methode ad hoc gespielt.
Ab Band 3 wird am Ende jeder Einheit das Schriftbild der eingeführten Wörter so angeboten, dass die Schüler befähigt werden, kleine eigene Geschichten zu schreiben und vorzutragen.
Bei diesem Konzept stehen die vielen sprachlichen Aktivitäten der Schüler/innen im Vordergrund, was eine hohe Motivation zur Folge hat.
Das Unterrichtswerk wurde in einer plattdeutschen Version von Edith Sassen entwickelt und von Ingeborg Remmers ins Saterfriesische übersetzt.
Die plattdeutsche Version „Platt löpt“ ist im Buchhandel erhältlich. „Seeltersk lopt“ wird in den Grundschulen des Saterlandes kostenlos an die Schülerinnen und Schüler der saterfriesisch-AGs verteilt.
Schulinterne Öffentlichkeitsarbeit
Das Saterfriesische hat in unserer Schule einen besonderen Stellenwert und wird auf unterschiedliche Art im Schulleben sichtbar.
Im Jahre 2008 bekam unsere Schule den saterfriesischen Namen „Litje Skoule Skäddel“, der nun auch als Schriftzug am Schulgebäude zu sehen ist.
Beschriftet sind auch die Türen im Schulgebäude. Sie tragen die saterfriesischen Bezeichnungen der einzelnen Räume. Die Klassenzimmer haben von den Schülern gewählte Straßennamen bekommen. Beispiele werden auf der Homepage zu sehen sein.
Dort wird man auch ein Video finden, das den Betrachter durch die Schule führt und ihm damit einen Eindruck dieser Gestaltung vermittelt.
In der Aula gibt es die „Litje Timpe ap Seeltersk“ (kleine saterfriesische Ecke).
Hier findet man Texte und Bilder zur Jahreszeit oder passend zu schulischen Veranstaltungen. Außerdem wird hier auf besondere Veranstaltungen (z.B. Lesewettbewerb) hingewiesen und deren Dokumentationen (Fotos, Zeitungsartikel) gezeigt. Manchmal gibt es auch interaktive Angebote.
An allen Schulveranstaltungen (Nikolausfeier, Schulfest, Jubiläen, Weihnachtsfeiern, usw.) beteiligen sich auch die Schüler der Saterfriesisch-AGs mit einem Beitrag.
Am Tag der Muttersprache im Februar gibt es eine schulinterne Zusammenkunft oder Ausstellung mit saterfriesischen und/oder fremdsprachlichen Inhalten.
Im Frühjahr sind alle Schüler unserer Schule aufgerufen, am „Foarjiersräätsel“ (Frühlingsrätsel) teilzunehmen. Auf immer unterschiedliche, aber sehr einfache Weise sollen sich die Schüler mit der saterfriesischen Sprache beschäftigen und eine Aufgabe lösen. Dabei gibt es einige Preise zu gewinnen.
Alle zwei Jahre nehmen viele Schüler unserer Schule am saterfriesischen Lesewettbewerb teil (siehe unten).
Einmal im Jahr – wenn möglich im September am Europäischen Sprachentag – feiern wir an unserer Schule einen Sprachentag. Hier können sich einzelne Schüler, Gruppen oder ganze Klassen mit Beiträgen in unterschiedlichen Sprachen einbringen. Dabei sind natürlich auch die Schüler der Saterfriesisch-AGs vertreten.
Auch am Bundesweiten Vorlesetag im November sind saterfriesische Beiträge oder Aktionen vorgesehen.
Der Lesewettbewerb
Im Zweijahresturnus findet der plattdeutsche und saterfriesische Lesewettbewerb statt, der von der Oldenburgischen Landschaft ausgerichtet wird. Die Schüler der dritten und vierten Klassen können daran teilnehmen. Nach einem schulinternen Wettstreit um den besten Leser, wird der Sieger auf Gemeindeebene ermittelt.
Der schulinterne Lesewettbewerb wird unterstützt von Mitgliedern des Heimatvereins Seelter Buund, die zusammen mit der Lehrkraft die Jury bilden.
Eingeladen ist auch ein Pressevertreter, sodass über diesen Wettstreit in den hiesigen Tageszeitungen berichtet wird.
Die Ausscheidung auf Gemeindeebene findet seit 2005 im Rathaus in Ramsloh statt. Sie ist eingebettet in ein Rahmenprogramm, das von den Saterfriesischlehrern ausgerichtet wird. Unterstützung gibt es auch hier von freiwilligen Helfern sowie von der Gemeindeverwaltung.
Als Zuschauer eingeladen sind die bereits schulintern ausgeschiedenen Teilnehmer des Wettbewerbs, die Jurymitglieder der schulinternen Wettbewerbe, die Schuleiter der Schulen im Saterland sowie alle interessierten Eltern und Mitschüler.
Literatur:
Oksaar, Els: Spracherwerb im Vorschulalter. Einführung in die Pädolinguistik. Stuttgart 1977. 2. erweiterte Auflage 1987.
Oksaar, Els: Soziokulturelle Perspektiven von Mehrsprachigkeit und Spracherwerb. Tübingen 1987.
Wode, Henning: Lernen in der Fremdsprache – Grundzüge von Immersion und bilingualem Unterricht. Ismaning, Hueber 1995.
Brückmann, Elke: Frühe Mehrsprachigkeit in der Grundschule. Eine allgemeine Einführung. Aurich 2000.
Nath, Cornelia: Regionalsprachenförderung in Ostfriesland. 1995.
Fort, Marron C.: Saterfriesisches Wörterbuch, Hamburg 2015
Schulverwaltungsblatt 6/2019 Amtlicher Teil, S. 288-290
Die Region und die Sprachen Niederdeutsch und Saterfriesisch im Unterricht
RdErl. d. MK v. 1.6.2019 – 32 – 82101/3-2
– VORIS 22410 –
Nds. Kultusministerium (Hrsg.): Kerncurriculum für die Grundschule Schuljahrgänge 1-4. Deutsch. Hannover 2017.
Links:
http://www.saterfriesisches-wörterbuch.de/
https://menschen-erzaehlen.podigee.io/ Podcast mit Henk